Kuriose Kunst!
Unter dieser Rubrik versammeln wir zur Auflockerung Merk- und Denkwürdiges aus der Kunstwelt, um den Ernst der Kunst etwas aufzuweichen. Wir bringen immer wieder neue Geschichten, Ansichten und Einsichten quer durch den Kunstgarten, der manchmal eher einem Dschungel gleicht …
Sind Ihnen gute Geschichten begegnet? Teilen sie Sie uns mit Quellenangaben mit.
Wir veröffentlichen sie gerne, sofern keine Copyrights verletzt werden.
Zum Trost für alle Nicht-Picassos (also alle) ein Zitat von Eugène Delacroix:
«Das grosse Geheimnis des Talents besteht darin, dass man seine Schwachstellen nicht zeigen sollte.»
Anekdoten
Camille Corot (1796–1875)
Ein Fremder, den der Zufall in das Atelier Corots geführt hatte, erkundigte sich nach dem Preis einer Landschaft. Dies war dem Maler noch nie vorgekommen.
Er fragte: „Warum wollen Sie es wissen?“ „Weil ich das Bild sehr gut finde.“
„Das ist doch kein Grund nach dem Preis zu fragen.“
„Nun ich möchte das Bild kaufen, wenn es nicht zu teuer ist.“
Corot kratzte sich ratlos den Kopf und nannte dann auf gut Glück einen Preis, zu dem seine erfolgreichen Kollegen ihre Bilder verkauften.
Der Fremde zog seine Brieftasche, zählte die Summe in Banknoten und Gold auf, nahm das Bild und entfernte sich schnell, als flüchte er.
Corot brummte: „Um so schlimmer für ihn“, tat das Geld in eine Schublade und fuhr fort zu malen.
Nach einigen Tagen besuchte ihn ein befreundeter Kollege und sagte:
„Ich möchte mir eine von deinen Baumstudien leihen.“ „Nimm, was du willst“, antwortete Corot.
Nach einer Viertelstunde sagte der Freund: „Ich finde sie nicht.“ „Du suchst schlecht.“
„Ich habe überall gesucht.“ “ Welche Studie ist es?“
„Nun, die aus Italien, der Sonnenaufgang mit den Platanen.“
„Ja, zum Teufel“, sagte Corot, „du hast keinen schlechten Geschmack, es ist eine meiner besten.“
„Ich finde sie nicht“, wiederholte der Kollege.
Da erinnerte sich Corot und wurde rot: „Du hast recht, sie ist nicht mehr da, – mit der ist mir etwas Merkwürdiges passiert.“
„Was?“ „Ein Fremder hat sie gekauft.“ „Wer? Was? deine Studie, dein Bild?“
„Nun ja.“ „Höre Corot“, sagte gekränkt der Freund, „ich liebe so etwas nicht.
Deine Studien gehören dir. Wenn du willst, verborgst du sie, und du verborgst sie nicht, wenn du nicht willst.
Du hast das Recht, sie mir zu verweigern.“ „– Aber“ – „Es gibt kein Aber, so benimmt man sich nicht einem Kameraden gegenüber.“
Der Freund nahm seinen Hut und wollte gehen; als Corot ihm nachrief: „Höre! es klingt unwahrscheinlich, ich gebe es zu. Aber ich habe ein Mittel, dich zu überzeugen. Öffne dort die Schublade – nun? Banknoten und Gold. Du kennst mein Einkommen.
Ich bin nicht reich oder geizig genug, soviel zusammenzuraffen. Ich sage dir, hier kam ein Mann herein, das hier hat er dagelassen und meine Studie hat er mitgenommen.
Ich kann nichts dafür, um dich zu ärgern hab‘ ich’s nicht getan; und nun tue, was du nicht lassen kannst.“
Der Freund ging kopfschüttelnd fort und erzählte in den Ateliers: „Das ist eine merkwürdige Geschichte.
Corot hat ein Bild verkauft.“ Überall sagte man: „Ach, Unsinn“, oder „nicht möglich.“
Und er antwortete: „Ich habe das Geld gesehen und angefaßt. Banknoten und Gold.“
[1]
Corot malte eines Tages zusammen mit Guillemet an einem Teich bei Ville d’Avray.
Corot sagte: „Mein Sohn, male immer nur, was du siehst.“
Nach einiger Zeit steht Guillemet auf und betrachtet das Bild des Meisters.
„Aber Sie sagten mir eben, ich sollte nur malen, was ich sehe.“ „Gewiß“, antwortete Corot.
„Und diese Nymphen?“ „Ich sehe sie“, erwiderte Corot, „siehst du sie denn nicht?“
Guillemet hat hinzugefügt: „Ich habe sie nicht gesehen, und darum blieb ich ein Schüler, indessen er ein Meister war.“
[1]
Gustave Courbet (1819–1877)
Als Courbet von einem jungen Maler gefragt wurde, wie er es mache, so schön zu malen, antwortete er:
„Ich bin bewegt.“
[1]
Corot und Courbet im künstlerischen Wettstreit
Corot und Courbet wanderten zusammen durch einen Wald und sprachen dabei über Kunst.
Courbet schlug seinem Freund Corot einen künstlerischen Wettstreit vor:
„Wir wollen beide malen, was wir vor Augen haben“, sagte er.
Also bauten sie ihre Malutensilien auf und begannen mit der Arbeit. Vor ihnen befand sich ein kleines Kastanienwäldchen und im Hintergrund eine Baumallee.
Nach zwei Stunden hatte Courbet Allee und Wäldchen sehr naturgetreu wiedergegeben.
Corot aber hatte einen kleinen silberfarbenen See mit zwei tanzenden Nymphen gemalt.
„Das habe ich gesehen“, sagte er lachend.
[3]
Corot und Courbet machten gemeinsam Landschaftsstudien bei dem Dorfe Mareil.
Als sie fertig waren, betrachteten sie, nebeneinanderstehend, nochmals das eben gemalte Motiv.
Dabei gerieten sie in eine Debatte, was ein heller Fleck am Horizont bedeute, ob es ein Feld oder ein sandiger Abhang wäre. Sie konnten es nicht erkennen.
Als sie aber zufällig einen Blick auf die Studie von Courbet warfen, erkannten sie gleich, daß es sich um einen Haufen von Bauholz handle.
„Ich brauchte es nicht zu wissen“, sagte Courbet, „ich habe gemalt, was ich gesehen habe, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet.“
[1]
Eugène Delacroix (1798–1863)
Julius Meier-Graefe erzählt in seinem Delacroix-Buch: „Delacroix hat das Wesentliche des Gesetzes von der Tönung einer Farbe im Schatten durch die komplementäre Farbe ebenso spontan entdeckt wie Goethe vor dem Krokusbeet in Weimar. Er war eines Tages dabei, einen gelben Vorhang zu malen, und außer sich, weil es ihm nicht gelang, dem Gelb den Glanz zu geben, der ihm vorschwebte. Er beschließt in den Louvre zu gehen und läßt einen Wagen holen. Man bringt ihm eines der kanariengelben Kabrioletts, die damals im Gebrauch waren. Wie er einsteigen will, hält er plötzlich inne und sieht zu seinem Erstaunen, daß das Gelb des Wagens im Schatten Violett erzeugt. Er entläßt den Kutscher, läuft die Treppen wieder hinauf und beginnt sofort das Gesehene auf die Leinwand zu bringen.“
[1]
Auguste Renoir sah die Skizze eines Schlachtgetümmels von Delacroix und rief entzückt: „Das ist wie ein Rosenbukett!“
[1]
Ein Schüler Delacroix‘, namens Lassalle-Bordes, erzählt, um die Energie des Meisters, zu beweisen, die folgende Anekdote:
Eines Tages besuchte der Herzog von Orléans Delacroix und lud ihn zu einem Maskenball ein, den er in den Tuilerien gab. Das Unglück war, dass Delacroix an dem Tage starkes Fieber hatte. Lassalle besuchte ihn gegen Abend.
Er lag im Bett und sagte, wie untröstlich er wäre, einer so schmeichelhaften Einladung nicht folgen zu können. Plötzlich galvanisierte er sich, sprang aus dem Bett klingelte nach seiner treuen Wirtschafterin Jenny und liess von ihr aus einem Koffer ein Kostüm holen, das er von seiner Reise in Marokko mitgebracht hatte. „Mein lieber Lassalle“, sagte er, „Sie müssen heute mein Kammerdiener sein.“ Lassalle und die Wirtschafterin hüllten ihn in das Kostüm, und während sie einen Wagen holen ging, steckte der Schüler ihm die zum Kostüm gehörigen Waffen in den Gürtel. Aber ihr Gewicht war Delacroix zu gross, und er fiel in Ohnmacht.
Als Jenny zurückkam, war er leichenblass, wollte aber nichts davon wissen zu Hause zu bleiben. „Hier heisst es siegen oder sterben, brechen wir auf.“ Vor dem Spiegel blieb er stehen, warf einen Blick hinein und verlangte Schminke – und nun sah er wirklich aus wie ein orientalischer Fürst. Lassalle half ihm die Treppe hinunter, nahm ihn aber schließlich in seine Arme und trug ihn in den Wagen. Jenny begleitete ihn mit Riechsalzen. Er wollte sich
nur einen Augenblick in den Tuilerien zeigen. Am Fuß der großen Treppe hatte er das große Glück seinen Freund Dumas zu treffen, der ihm hinaufsteigen half. Beide erschienen zusammen vor dem Prinzen, der besonders liebenswürdig zu Delacroix war und ihm ein Kompliment über sein Kostüm machte. Er eilte nun in seinen Wagen zurück, wo seine Wirtschafterin ihn erwartete. Diesen Ausflug mußte er mit,einem längeren Krankenlager bezahlen.
[1]
Delacroix und Ingres
Dem strengen Zeichner Ingres war der stürmisch malende Eugène Delacroix, um seiner künstlerischen Haltung willen, unsympathisch. Als er Delacroix einst aus einem Saal der
Akademie weggehen sah, wo Ingres einige Bilder ausgestellt hatte, rief er dem Saaldiener zu: „Alle Fenster auf, hier riecht’s nach Schwefel.“ Ein andermal, als beide in einer Gesellschaft zusammentrafen, konnte er nicht an sich halten. Er schrie den ruhig mit der Kaffeetasse am Kamin Lehnenden an: „Herr, Zeichnen, das ist Anstand! Herr, Zeichnen, das ist Ehrensache!“
[1]
Bei einem Fest im Palais Royal standen einige berühmte Pariser Maler im Gespräch beieinander. Sie sprachen von Ingres. Delacroix fragte Horace Vernet: „Was finden Sie
eigentlich so bewundernswert an Ingres, seine Zeichnung?“ „Nein“, antwortete Vernet, „er zeichnet wie ein Kaminkehrer.“ „Seine Farbe?“ fragte Delacroix. „Unsinn, er malt ja Stroh.“ „Komposition?“ „Lächerlich, keinen lebendigen Menschen bringt er zusammen; sehen Sie doch das ‚Symposion‘, ein Durcheinander wie ein Möbelwagen.“ „Was also, seine Formen, seine Auffassung?“ „Formen, Auffassung! Sie sind toll. Er malt doch nur Gliederpuppen.“
“ Dennoch“, sagte Delacroix nachdenklich, „trotz seiner Fehler ist Ingres ein tüchtiger Maler.“ Da machte Vernet einen Satz und schrie: „Ingres, tüchtiger Maler! Er ist der größte Künstler der Gegenwart!“
[1]
Der Bildhauer Préault pflegte von Ingres und Delacroix zu sagen: „Feindliche Brüder, die beiden, aber alle beide sind krank: Eteokles und Polyneikes, der eine mit der Gelbsucht,
der andere mit dem Scharlach.“
[1]
Als ein Schüler Ingres um seine Meinung über Delacroix fragte, erhielt er die Antwort: „Das ist ein Mann von Genie, aber reden Sie nicht davon.“
Als Delacroix um seine Meinung über Ingres angegangen wurde, erwiderte Delacroix lachend: „Das ist ein Mann von Talent, aber sagen Sie es keinem.“
[1]
Später trafen sich Ingres und Delacroix einmal zufällig vor der Tür zum Institut, wo beide an einer Sitzung teilnehmen wollten. Ingres streckte dem Jüngeren spontan die
Hand entgegen, und die bisher Unversöhnlichen betraten Arm in Arm den Sitzungssaal.
Eine Stimme murmelte: „Das ist die Zeichnung am Arm der Farbe.“
[1]
Jean Dominique Ingres (1780–1867)
Vor einem Bildnis, das Ingres eben vollendet hatte, sagte ein Kunstfreund bewundernd zu dem Meister: „Ich glaube nicht, daß Raffael ein schöneres Porträt als dieses gemacht
hat.“ Ingres fuhr auf und rief: „Ich gestatte nicht, daß man solche Namen vor einer meiner Arbeiten ausspricht, daß man es wagt, mich mit diesem oder irgend einem andern jener großen Meister zu vergleichen. Ich bin nichts, Herr, neben solchen Riesen! Ich bin (und nun hielt er seine Hand an den Boden, indem er sich bückte), so groß bin ich… (und er hielt seine Hand immer tiefer). ‚Kurz, man sieht mich nicht daneben mein Herr. Was die Zeitgenossen betrifft – das ist etwas anderes.“
[1]
Ingres und Stendhal waren leidenschaftliche Musikfreunde – jeder auf seine Weise. Als der Dichter in der Academie de France zu Rom von Ingres zum erstenmal empfangen wurde, verstieg er sich im Gespräch zu der Behauptung, Beethoven habe keine Melodie. Ingres kehrte ihm den Rücken und sagte später zum Diener: „Für diesen Herrn bin ich künftig nie mehr da.“
[1]
Ingres erhielt in der Akademie den Fauteuil des Mannes, unter dessen Verfolgungen er am meisten gelitten hatte.
Als dieser endlich starb und begraben wurde, schritt Ingres bis zum Friedhof hinter dem toten Feinde her. Bevor der Sarg mit Erde bedeckt wurde, trat Ingres nahe an das Grab und sprach aufatmend die Worte: „Gut, gut, es ist gut; diesmal wird er nicht wiederkommen.“
[1]
Der Bildhauer Rude wollte Ingres besuchen. Frau Ingres öffnete die Tür, ließ den ihr Unbekannten aber gar nicht zu Worte kommen, sondern sagte mit einem Blick auf Rudes langen Bart: „Mein Mann kann Sie nicht brauchen.“ Vor der Tür wurde Rude dann Ohrenzeuge des folgenden Gesprächs innerhalb des Ateliers: Wer ist da? „Niemand.“ „Es hat doch aber geläutet.“ „Gewiß, aber es war nur ein Flußgott, der dich stören
wollte. Ich habe ihm gesagt, daß du ihn augenblicklich nicht brauchen kannst.“
[1]
Mit sechsundachtzig Jahren kopierte Ingres noch ein Bild von Giotto. Gefragt, warum er es tue, antwortete der Greis: „Um zu lernen.“
[1]
Als der Maler von Sturler zu Ingres als Schüler ins Atelier kam, malte er schon mit viel Geschicklichkeit. Zwischen ihm und dem Meister gab es eines Tages eine merkwürdige Szene. Ingres betrachtete die Figur, die Sturler eben machte, und meinte dazu: „Ohne Zweifel sehr gut, sehr geschickt, mit echtem Talent gemalt, ich habe Ihnen nichts zu sagen.“
„Mein Herr“, fiel ihm Sturler ins Wort, „wenn ich geglaubt hätte, daß dem so sei, wäre ich nicht zu Ihnen in die Schule gekommen. Ich bin aber gekommen, weil ich weiß, daß es nichts taugt, daß es schlecht ist. “
„Ah, Sie fassen es so auf“, antwortete Ingres, wobei er zurücktrat und ihm ins Auge sah, „ach, Sie sind nicht mit dem zufrieden, was Sie da machen! Dann sieht die Sache
allerdings anders aus. Wohlan denn, gewiß, das taugt nichts. Das ist bloße Geschicklichkeit und weiter nichts, kein Stil, kein Charakter, ja es ist schlecht. Ah, wenn es sich so verhält!
Nun werde ich Ihnen offen sagen, was ich denke. Sie müssen alles vergessen, was Sie können. Sie müssen noch einmal von vorn anfangen. Mit Ihrem Talent könnten Sie ja ohne mich weiterkommen. Sie hätten sogar ein Vermögen in der Hand. Aber da Sie weiter blicken und höher hinauswollen: Nur Mut! Denn alles ist nochmals zu machen.“
[1]
Ingres erzählte die Geschichte seiner Heirat. Er weilte traurig und vereinsamt in Rom, und er teilte diesen Zustand des Spleens einem Freund mit. Dieser hatte in seiner Familie eine junge Person, die mit allen zum häuslichen Glück nötigen Eigenschaften begabt war. So wurde brieflich alles in Ordnung gebracht. Eines Tages meldete man Ingres, daß seine Braut nach Rom abgereist sei und er sieerwarten solle. Das Datum war genau angegeben. Ingres ging ihr bis zum Grab Neros entgegen, und dort sah er aus einer Mietkutsche die Frau steigen, die die Seine werden sollte. „Und die alle Versprechungen seines Freundes gehalten hat“, fügte Ingres, sie anblickend, hinzu, „und mehr als das“ „Sie kannte mich ebensowenig“, sagte Ingres, „will sagen, ich hatte‘ ihr eine kleine Skizze geschickt, die
ich selber gemacht hatte.“ „Und du hattest dir nicht übel geschlneichelt“, sagte Frau Ingres, die zuhörte, ohne ihren Trikot im Stich zu lassen.
[1]
Max Liebermann (1847–1935)
Liebermann vor Rembrandts «Nachtwache»: «Wenn man Frans Hals sieht, bekommt man Lust zum Malen, wenn man Rembrandt sieht, möchte man es aufgeben.»
[2]
Zu Liebermann sagte einmal ein begeisterter Kritiker: «Meister, je mehr ich mich in die Kunst versenke, desto klarer wird mir: es gibt nur zwei große Maler, Velàzquez und Sie!» Darauf Liebermann: «Wat denn, wat denn, wieso Velàzquez?»
[2]
Max Liebermann im Gespräch mit einem Akademiker: «Wie de Bejabung uffheert: jleich jeht der Stil los.»
[2]
Ein Kollege untersucht sehr genau eine Zeichnung Liebermanns und fragte, wie er technisch gearbeitet hätte, ob er mit einem harten oder weichen Bleistift zeichne.
Liebermann antwortete: «Mit Talent.»
[2]
Zu einem Porträtmodell, das mit der Ähnlichkeit nicht recht zufrieden war, soll Liebermann gesagt haben: «Wissen Sie, ich habe Sie ähnlicher gemacht, als Sie sind.»
[2]
Ein Neureicher wollte seine Frau von Liebermann malen lassen und bat ihn, sich vorher die Wand anzusehen, an die das Bild kommen solle, damit es sich gut im Raum einfüge. Liebermann lehnte ab: «Mach ich nicht. Sie sollten sich lieber um das Porträt herum das Haus bauen lassen.»
[2]
Auf einer Düsseldorfer Ausstellung war Cézannes Gemälde «Der Knabe mit der roten Weste» zu sehen. Aus dem Plan, das Bild für die Kunsthalle anzukaufen, wurde aber nichts, weil Eduard von Gebhardt protestierte.
Ihm gefiel nicht, daß der rechte Arm des Knaben länger geraten war, als die korrekte Anatomielehre gestattet hätte.
Eines Tages trafen sich in der Ausstellung vor dem Bilde Gebhardt und Liebermann. Es erhob sich eine heftige Diskussion, da Liebermann begeistert die Farbschönheit des Gemäldes pries. Gebhardt wurde rot vor Zorn.
«Aber sehen sie doch», rief er in höchster Wut, «sehen Sie doch diesen unendlich langen Arm!» «Ach was», sagte Liebermann, «der Arm is so schön jemalt – der kann ja jar nich lang genug sein!»
[2]
In der Zeit des Kunstkampfes wurde Liebermann nach seiner Meinung über den lautesten Gegner der neuen Kunst, Anton von Werner, gefragt. Er antwortete: «lck sage immer, wenn Anton von Werner ooch ohne Hände geboren worden wäre – dann hätte er doch die jrößte Schnauze.»
[2]
Hans Meid hatte eine Porträtradierung von Liebermann zu machen. Er erzählt: Ich kam mir dabei vor, als ob ich Caruso etwas vorsingen sollte. Das Porträt ist·auch eine meiner schwächsten Arbeiten geworden, doch um so
besser waren die Witze und Lehren, die Liebermann während der Sitzung von sich gab. «Wissen Se, jeder Mensch hat Ähnlichkeit mit irgendeinem Tier; ick sehe aus wie ein Aasgeier.» Das Gespräch kam auch auf meinen Landsmann Hans Thoma. Auf den war er nicht gut zu sprechen. «lck gloobe, der hat een Privattelephon zum lieben Gott.»
[2]
Max Liebermann war bei Lovis Corinth zu Besuch.
Neugierig wanderten seine Augen über den Zeichentisch des Kollegen. Plötzlich rief er erstaunt: «Wat – Sie harn een Radiergummi?»
[2]
Als Liebermann mit Lesser Ury befreundet war, ging das Gerücht, einige Liebermannsche Bilder seien eigentlich von Ury gemalt. Liebermann erfuhr davon. «Det ist mir egal», erklärte er, «daß erzählt wird, meine Bilder seien von Lesser. Aber wenn Ury sagt, daß seine Bilder von mir sind – dann verklage ich ihn.»
[2]
Liebermann über den Nutzen der Kunsthistoriker: «Die sind gar nicht so überflüssig.
Wenn die nicht wären, wer sollte uns Künstlern wohl nach unserm Tod unsere schlechten Bilder für unecht erklären!»
[2]
Liebermann hatte einst das kleine Töchterchen Bodes gemalt. Als die Sitzungen beendet waren, stellte sich die Kleine vor das Bild und fragte: «Ist das Bild nu fertig?»
Liebermann: «Ja, jetzt ist das Bild fertig.»
Das Kind: «Kommt das Bild nu zu Papa ins Museum?»
Liebermann: «Ja, jetzt kommt das Bild zu Papa.»
Das Kind: «Und dann kommt ein goldener Rahmen darum?»
Liebermann: «Ja, dann wird es eingerahmt.»
Das Kind: «Und dann wird es auch wohl schön!»
[2]
Liebermann kommt von einer italienischen Reise zurück und stellt fest: «Denkense et is jarnich so kitschieh, wie die Leute immer tun.»
[2]
Liebermann wird nach seiner Ansicht über Max Klinger gefragt. «Wissense, ick finde ihn jräßlich. Aber es jiebt Portierssöhne und es jiebt Künstler, und ein Portierssohn is Klinger nich!»
[2]
Max Liebermann wurde aufgefordert, eine Chagall-Ausstellung zu besuchen. «Nee,» erklärte er, «da jeh ick nich hin.»
«Aber an dem Chagall ist wirklich etwas dran.» «Nee, ick will nich! Womöglich jefällt mir das Zeug!»
[2]
Nach wiederholten hartnäckigen Bitten hatte ein Berliner Kunstsammler es erreicht, daß Liebermann seine Gemäldegalerie besichtigte.
Als er den Altmeister nach seiner Ansicht über die Bilder fragte, antwortete ihm der:
«Das einzige Original in Ihrer Galerie sind Sie selber, verehrter Freund, wobei ich aber noch zugebe, daß von den vielen Perücken die Ihre am besten die echten Haare vortäuscht.»
[2]
Liebermann zu einem Käufer, der ihn zur Vielmalerei verführen wollte:
«Wissen Sie, lieber Herr, ich bin nicht mit der Kunst verheiratet; ich habe ein Verhältnis mit ihr.»
[2]
Eine Dame hat Liebermann besucht und verabschiedet sich: «Herr Professor, das war die schönste Stunde meines Lebens.»
Max Liebermann.: «Na, junge Frau, das wollen wir nicht hoffen.»
[2]
Max Liebermann erhielt von einer Amerikanerin einen überspannten Brief, in dem die Dame den Meister um ein Autogramm bat.
Liebermann schrieb auf eine Ansichtskarte: «Zur Erinnerung an die angenehmen Augenblicke, die wir verleben, wenn wir uns nicht kennengelernt haben werden.»
[2]
Liebermann ist eines Tages mit einem berühmten Komponisten zusammen, der gerade zum fünften Male geheiratet hat und seine neue Gattin der Gesellschaft vorführt.
Liebermann wird vom Hausherrn gefragt, ob er nicht dieser neuen Gattin des großen Tonkünstlers vorgestellt zu werden wünsche. «Nee, danke,» antwortete der Meister, «die überspringe ick.»
[2]
1933 wird Liebermann befragt, wie es ihm gehe. «Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.»
[2]
Adolf Menzel (1815–1905)
Menzel hatte es übernommen, für eine Akademiefeier das Titelblatt einer Festschrift zu zeichnen. Er hatte sich so vertieft, daß er nicht fertig wurde.
Endlich versprach er die Ablieferung zum letztmöglichen Termin abends um sechs Uhr. Als der Bote kam, war Menzel noch nicht ganz fertig. Der Bote mußte warten. Bis zwei Uhr nachts.
Dann brachte der achtzigjährige Menzel ihn mit der Lampe die fünf Treppen hinunter und stieg frisch wieder nach oben. Der Bote aber mußte sich einen Wagen nehmen, so kaputt war er.
[1]
Der Maler M., ein Freund Menzels, hatte seine Schwiegermutter gemalt. Menzel kam ins Atelier, um das Bild zu beurteilen.
Er besah es genau, wie es seine Art war, und sagte endlich: „Das Bild gefällt mir ganz gut, im ganzen und im einzelnen.
Aber wissen Sie, eines haben Sie nicht recht zum Ausdruck gebracht, nämlich das wahrhaft Rhinozerosartige, das Ihre Schwiegermutter hat.“
[1]
Auf dem Bilde eines Hofballs hatte Menzel einige Hofdamen bildnisgetreu dargestellt.
Die Damen waren nicht zufrieden und begehrten Verschönerungen. Mit der diplomatischen
Sendung trat ein hoher Offizier bei Menzel an.
Als er in aller Höflichkeit die Wünsche vorbrachte, sagte Menzel: „Ich kann nicht anders; wenn Sie es aber besser können, so übergeben Sie mir gefälligst das Kommando Ihres Armeekorps, und ich gebe Ihnen Pinsel und Palette.“
[1]
Paul Meyerheim brachte Franz Stuck auf dessen Wunsch zu Menzel ins Atelier.
Der alte Menzel kümmerte sich nicht um den Besucher und arbeitete weiter. „Du, das ist der
berühmte Stuck aus München“, flüsterte Meyerheim.
Menzel zuckte die Achsel. „Das ist der, der bei Schulte das Bild ausgestellt hat, das soviel Aufsehn erregt, den ‚Wächter des Paradieses‘.“
Da wandte Menzel sich Stuck zu und sagte : „Junger Mann, das ist doch gewiß nicht Ihr bestes Bild.“
[1]
Menzel kam meist zu spät ins Theater. Als er einst auch wieder zu spät zum Don Juan kam, sagte er: „Den alten Komtur habe ich noch nie lebendig gesehen.“
[1]
In Menzels Familientestament, das die Aufschrift trägt: „Für Euch allein“, steht der Passus: „Gleicherweise kann niemand auftauchen, irgendwelche Nachkommenschaft geltend zu machen. Nicht allein, daß ich ehelos geblieben, habe ich mich auch lebenslang und jederlei Beziehung zum andern Geschlecht als solchem entschlagen.
Kurz, es fehlt an jedem selbstgeschaffenen Klebestoff zwischen mir und der Außenwelt.“
[1]
Als Menzel einst auf den schönen Kopf eines jungen Mädchens hingewiesen wurde, sagte er, in dem Gesicht wäre doch zwischen Nase und Ohr eine entsetzliche Einöde, in der auch rein gar nichts passiere.
[1]
Einen ihm befreundeten Kollegen fragte er, um zu beweisen, wie objektiv ein Maler sehen müsse und wie wenig er dem schönen Geschlecht schmeicheln dürfe:
„Na, siehst du dir denn ein weibliches Krokodil mit andern Augen an als ein männliches?“
[1]
Auf die Frage, warum er den Liederabend einer berühmten Sängerin nicht besucht habe, obwohl diese ihm eine Karte gesandt hatte, antwortete er:
„Ach, weißt du, so ein Liederabend ist nichts für mich. In all den Liedern ist immer nur von Amouren die Rede, und davon verstehe ich nun schon gar nichts.“
[1]
Während einer Aufführung von Schillers „Wallenstein“ sagte Menzel :
„Wenn dieses Stück seinem Ende zustrebt und alles Unglück auf den Wallenstein hereinbricht, dann kommt immer dieser Max mit seinen albernen Privatangelegenheiten und Amouren und hält das Stück unnütz um eine Stunde auf.“
[1]
Im Freienwalder Kurhaus wurde der Sechsundvierzigjährige bei der Damenwahl von einer stattlichen Madame zum Tanz aufgefordert.
Entsetzt zurückweichend rief er: „Ich tanze nicht, ich tanze überhaupt nie.“
[1]
Während einer Gesellschaft beim Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich, ergriff der Gastgeber, um seine Kraft zu zeigen, den Stuhl, auf dem Menzel saß und hob ihn mitsamt dem kleinen Mann in die Höhe.
Als der Stuhl wieder stand, erhob Menzel sich und sagte kurz und bestimmt zum Kronprinzen:
„Kaiserliche Hoheit, das verbitte ich mir.“
[1]
Paul Meyerheim erzählt:
„Eines Tages zur Speisestunde, während eines Aufenthalts in Hofgastein, ließ der Gast ungewöhnlich lange auf sich warten. Die ganze Familie schaute mit Ferngläsern aus allen Fenstern nach ihm aus, und allen knurrte der Magen. Da endlich erspähte man ihn auf der Landstraße. Schnell die Suppe aufgetragen, hieß es, er kommt.
Aber Menzel erschien nicht. Als man nochmals lange gewartet, wurde die Familie besorgt und fürchtete, daß ihm ein Unglück zugestoßen.
Man eilte auf die Landstraße und fand ihn, wohlbehalten an einem Chausseegraben sitzend, damit beschäftigt, seinen verstaubten Stiefel mit der umgekrempelten Hose zu zeichnen.“
[1]
„Als 1871 der Jubel Berlin durchtoste, saßen die Künstler mit ihren Familien in den Fenstern der alten ehrwürdigen Akademie. Einige dieser Fenster beleuchteten die Antikenklasse.
Die Schüler hatten in dieser Klasse eine niedliche kleine Maus durch Leckereien sehr zutraulich gemacht.
Das Mäuschen hielt Menzel, der sich die Zeit verkürzte, indem er nach den Gipsen zeichnete, wohl für einen Schüler und näherte sich ihm. Menzel ließ von den Antiken ab,
zeichnete sofort das reizende Modell und belohnte es durch Stückchen von seinem Frühstück. Darüber hätte er beinahe das um den Kaiser jubelnde Deutschland versäumt. Erst im letzten Augenblick trennte er sich von der Maus, die, vom Hurraschreien erschreckt, sich zurückgezogen hatte.“
[1]
Einst sank ein Soldat, der Menzel auf einem Pferde Modell saß, vor Übermüdung ohnmächtig herab. Bevor der Maler ihm mit einem Glas Wasser beisprang, skizzierte er noch schnell den ohnmächtig auf dem Boden Liegenden.
[1]
Als ein Kritiker den „selten unabhängigen Geist“ Menzels rühmte, schrieb dieser ihm: „Was zunächst den ,selten unabhängigen Geist‘ betrifft – so unabhängig ist jeder Vogel auch, der hat auch nun einmal nur Stimme für die und die gewissen Tonverbindungen und keine andern.“
[1]
In kurzen selbstbiographischen Aufzeichnungen Menzels heißt es von dem Siebzehnjährigen: „An einem gewissen Tage anfangs Februar desselben Jahres sprach ein waltendes Geschick zu mir: Zur Ehe eignest du dich zwar noch nicht, aber zum Familienhaupt bist du gut genug. Sprach’s und nahm meinen Vater dahin. Heut sag ich wohl auch: Gesegnet seien die Walter des Lebens! (ich wünsche sie aber keinem).“
[1]
Menzel betrachtete während einer Sitzung der Jury in der Großen Berliner Kunstausstellung ein Bild des holländischen Malers Jozef Israels. „Nun sah ich“, erzählt Meyerheim, „den ebenfalls kleinen, greisen, holländischen Meister herannahen“. Böses ahnend, flüsterte ich Menzel zu: „Du, da kommt Israels.“ Dieser, erfreut darüber, daß Menzel die „Fischer“ so gründlich betrachtete, sagte freundlich: „Nun, Exzellenz, wie gefällt Ihnen denn meine Schilderij?“ Menzel, der meine Bemerkung überhört hatte, sagte, ohne von Israels Notiz zu nehmen: „Oh, es ist in der Totalität und im Aufbau vortrefflich, aber, aber“ – und dabei tippte
er mit der Lorgnette auf viele Stellen – „es ist alles so faul gemacht, faul – faul – faul!“
[1]
Literaturhinweise
[1] Scheffler, Karl; Das lachende Atelier; Scientia-Verlag Zürich
[2] Meissner, Günter; Max Liebermann; E.A. Seemann Verlag, Leipzig, 1978/1998
[3] Hartmann, Alfred Georg; Das Künstlerwäldchen. Maler, Bildhauer- und Architektenanekdoten, Berlin 1918, 160; zitiert aus der National-Zeitung
Albrecht Dürer
Aus den Entwürfen für ein
Lehrbuch der Malerei
1512/1513
Kapitel 9
Von Farben
Item so du erhabn wilt molen, so es das Gesicht betriegen söll
{dem Auge Körperlichkeit vortäuschen soll}
mußtu der Farben gar wohl bericht sein
und im Molen fast auseinanderscheiden, also zu verstehn:
Item du malst 2 Röck oder Mäntel, ein weiß, den andern rot.
Und wenn du sie schättigst {schattierst}, do es sich bricht,
wann an allen Dingen ist Lichts Finsters {Hell und Dunkel},
was sich aus den Augen krümmt oder beugt.
Wo das nit wär, so wärs alls eben anzusehen, und in solicher Gestalt
würd man nüt erkennen denn als viel sich die bloßen Farben
auseinanderschieden {würde man nur so viel erkennen,
wie sich Lokalfarben voneinander unterscheiden}.
Dorum so du den weißen Mantel schättigst, muß er nit so
mit einer schwarzen Farb geschättigt sein als der rot.
Wann es wär unmüglich, daß ein weiß Ding so ein finsteren Schatten
geb als das rot, und würd sich beieinander nit vergleichen.
Ausgenummen wo kein Tag hin mag {kein Licht hinkommt},
ist alle Ding schwarz, als in der Finster {Finsternis} kannstu
kein Farb erkennen.
Darum, obs die Rechnung geb in einem weißen Ding,
do einer mit Recht zum Schatten ganz schwarz nützet, wär nit schträflich.
Doch kummt es gar selten. Auch soltu dich hüten,
so du etwas von einer Farb molst, sie sei rot, blo, braun oder vermischt Farben,
wie sie sein, daß du sie im Lichten nit zu viel licht machst,
also daß sie aus ihrer Art schlach.
Beispiel: ein Ungelehrter besicht dein Gemäl, unter dem ein roten Rock,
spricht: „Schau, gut Fründ, wie ist der Rock auf eim Teil so schön rot
und auf dem anderen hat er weiß Far {Farbe} oder bleich
Flecken.“ Dasselb ist sträflich, und hast ihm nit recht getan.
Du mußt in solicher Gestalt molen ein rot Ding, daß es überall rot sei,
desgeleichen mit allen Farben, und doch erhaben schein.
Auch mit dem Schättigen desgeleichen halten, daß man nit sprech,
ein schön Rot sei mit Schwarz beschissen {beschmiert, beschmutzt}.
Deshalb hab acht, daß du ein jedliche Farb schättigst mit einer Farb,
die sich dorzu vergeleich.
Als ich setz ein gele Farb. Soll sie in ihrer Art beleiben,
so mußtu sie mit einer gelben Farb schättigen,
die dunkeler sei weder die Hauptfarb ist.
Wenn du sie mit Grün oder Blob {Blau} absetzt, so schlächts
aus der Art und heißt nimmer gel, sunder es würd ein schillrete {schillernde}
Farb doraus, als man seiden Gewand findt,
die van zweien Farben gebürkt {gewirkt} sind, item von Bran {Braun} und Blo,
das ander braun und grün, etliches dunkelgel und grün,
auch kesterbraun {kastanienbraun} und dunkelgel, item blo und ziegelrot,
auch ziegelrot und veielbraun {violett}, und der Farben mäncherlei,
das man vor Augen sicht, so man dieselben molt.
Und wo es sich bricht allbeg am Abwenden, teilen sich die Farben,
daß man sie voreinander erkennt. Demnoch mußt du sie molen.
Aber wo sie platt aufliegen, sicht man nun {nur} ein Farb.
Aber nüt destminder so du ein soliche Seiden molst
und mit einer Farb tuschierst {kolorieren, schattieren, übermalen},
als ein Braun mit dem Blo, so mußtu das Blo noch mit eim sätteren Blo
absetzen, wo es ihm nottut.
Es kummt auch oft, daß diese Seiden in der Dunkelen
ahn der braun Farb gesehen wird, als wenn einer vor dem anderen steht,
der ein solichs Kleid anhat. So mußtu dasselbig Braun mit eim sätteren Braun
absetzen und nit mit dem Blo.
Es geh wie es woll, so muß kein Farb im Tuschieren aus ihrer Art kummen.
Aus: Albrecht Dürer; Schriften und Briefe; Reclam Leipzig 1993